Kandidaten-Screening auf LinkedIn & Co: Das sagt die Forschung.

Die Nutzung von Social Media im Rahmen von Auswahlprozessen ist längst keine Seltenheit mehr. Soziale Netzwerke werden dabei für verschiedene Zwecke genutzt: Während Social Media Recruiting auf das Finden und gezielte Ansprechen potenzieller Kandidaten über Plattformen wie Facebook, LinkedIn oder X abzielt, geht es bei Social Media Screenings darum, die Profile von Kandidatinnen und Kandidaten zu analysieren, um Rückschlüsse auf deren Persönlichkeit und berufliche Eignung zu ziehen.

Rund zwei Drittel der Personalverantwortlichen nutzen soziale Netzwerke, um potenzielle Kandidaten vorab zu screenen. Oft geschieht dies jedoch informell und unstrukturiert, indem öffentlich verfügbare Informationen aus sozialen Netzwerken „durchstöbert“ werden.

So praktisch diese Methode erscheinen mag, birgt sie doch Schwierigkeiten und offene Fragen: So können heimliche Screenings als Verletzung der Privatsphäre wahrgenommen werden, was Fragen nach der ethischen und rechtlichen Zulässigkeit aufwirft. Auch ist fraglich, inwiefern die gewonnenen Informationen den psychologischen Testgütekriterien Reliabilität (Genauigkeit) und Validität (Gültigkeit) genügen. Denn nur wenn sie dies tun, können sie als zuverlässiges Auswahlinstrument eingesetzt werden.

Was sagt die Forschung?

Eine aktuelle Studie (Mönke et al., 2024) hat nun erstmalig die Aussagekraft von Social Media Screenings empirisch untersucht. Die Untersuchung basiert auf einer Meta-Analyse von insgesamt 12 Primärstudien, die zwischen 2009 und 2022 durchgeführt wurden. Insgesamt wurden die Daten von 536 Beurteilern und 2.019 Kandidaten ausgewertet. Die genutzten Datenquellen umfassten Facebook, X und LinkedIn.

Die zentralen Fragen der Studie sind:

  1. Reliabilität: Wie genau und zuverlässig sind die erhobenen Einschätzungen der Persönlichkeit? Kommen verschiedene Beobachter zu den selben Einschätzungen oder werden die Profile unterschiedlich interpretiert?
  2. Konstruktvalidität: In welchem Maße hängen die Screeningergebnisse mit Selbsteinschätzungen und Testscores der Kandidaten zusammen?
  3. Kriteriumsvalidität: Können Screenings in sozialen Netzen relevante berufliche Ergebnisse wie Arbeitsleistung oder Organizational Citizenship Behavior (OCB) vorhersagen?

Ergebnisse: Was Social Media Screenings wirklich leisten können

Die Ergebnisse zeigen, dass Kandidaten-Screenings in den meisten Fällen nur eine geringe Reliabilität aufweisen. Das bedeutet, dass unterschiedliche Beurteiler oft zu unterschiedlichen Einschätzungen derselben Person kommen. Das ist deshalb problematisch, weil Reliabilität eine Grundvoraussetzung für die Validität, also die Vorhersagekraft, des Verfahrens ist.

Die Forscher vermuten, dass eine höhere Übereinstimmung durch eine strukturiertere Beurteilung, Training der Beurteiler oder die Einbindung einer größeren Anzahl von Beurteilern erreicht werden könnte. Hierdurch würden jedoch auch Aufwand und Kosten der Beurteilung steigen.

Die Konstruktvalidität, also die Übereinstimmung zwischen Social Media Screenings und den Selbsteinschätzungen bzw. Testscores der Kandidaten, ist insgesamt gering bis moderat. Während die Zusammenhänge bei Eigenschaften wie Intelligenz und Extraversion etwas höher ausfallen, sind sie bei Merkmalen wie Gewissenhaftigkeit und psychischer Belastbarkeit eher niedrig.

Dieses Ergebnis ist nachvollziehbar: So enthalten Social Media Profile mehr Hinweise auf kognitive Fähigkeiten (wie z.B. Studienabschlüsse) als auf „privatere“ Eigenschaften wie Gewissenhaftigkeit und psychische Belastbarkeit.

Für Personaler ist dies ein ungünstiges Ergebnis. Gerade Eigenschaften wie Gewissenhaftigkeit und psychische Belastbarkeit sind nämlich besonders hilfreich für die Personalauswahl, da sie Dinge wie berufliche Leistung (Hurtz & Donovan, 2000), Arbeitszufriedenheit (Kang & Malvaso, 2023) und Burn-Out (Bianchi, 2018) vorhersagen.

Interessant ist, dass Facebook-Daten tendenziell stärkere Übereinstimmungen mit den Selbsteinschätzungen der Kandidaten aufweisen als LinkedIn-Daten. Dies könnte daran liegen, dass LinkedIn als beruflich orientiertes Netzwerk stärker von bewusster Selbstdarstellung geprägt ist, während Facebook häufiger für private Zwecke genutzt wird.

Aus ethischer und rechtlicher Perspektive ist es jedoch problematisch, Auswahlentscheidungen auf der Grundlage privater Daten zu treffen, die nicht für den beruflichen Kontext vorgesehen sind. Zudem könnte die Candidate Experience, also die Wahrnehmung und Bewertung des Auswahlprozesses durch die Kandidaten, stärker leiden, wenn Facebook-Profile analysiert werden. Auf LinkedIn hingegen wissen und erwarten die Kandidaten, dass geteilte Informationen für potenzielle Arbeitgeber sichtbar sind und können diese daher gezielter auswählen und steuern.

Bezüglich der Vorhersagekraft (prognostische Validität) für berufliche Leistung oder prosoziales Verhalten im Job zeigen Social Media Screenings insgesamt nur geringe und nicht signifikante Zusammenhänge. Damit schneiden sie schlechter ab als etablierte Auswahlverfahren wie strukturierte Interviews, Leistungstests oder Persönlichkeitsfragebögen.

Thus, so far, there has been no evidence of criterion-related validity for Social Media assessments.

Mönke et al. (2024)

Fazit: Social Media Screenings besser nicht nutzen

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass Screenings in Sozialen Netzwerken nicht geeignet sind, um verlässliche und valide Aussagen über die Persönlichkeit und berufliche Leistung von Kandidaten zu treffen. Die Autoren der Studie raten daher davon ab, Social Media Screenings für die Personalauswahl zu nutzen, bis die Nützlichkeit empirisch nachgewiesen werden konnte. Bis dahin sind Personalverantwortliche besser beraten, bewährte Methoden wie strukturierte Interviews, Leistungstests und Persönlichkeitsfragebögen zu nutzen.

Quellen

Bianchi R. (2018). Burnout is more strongly linked to neuroticism than to work-contextualized factors. Psychiatry Research, 270, 901–905.

Hurtz, G. M., & Donovan, J. J. (2000). Personality and job performance: the Big Five revisited. Journal of Applied Psychology, 85(6), 869.

Kang, W., & Malvaso, A. (2023). Associations between Personality Traits and Areas of Job Satisfaction: Pay, Work Itself, Security, and Hours Worked. Behavioral Sciences (Basel, Switzerland), 13(6), 445.

Mönke, F. W., Roulin, N., Lievens, F., Bartossek, M. T., & Schäpers, P. (2024). Validity of social media assessments in personnel selection: A systematic review of the initial evidence. European Journal of Psychological Assessment.

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